Abstrakt modernes Passivhaus

Projekte | Beilstein - Es gibt Anzeichen dafür, dass diese spezielle Art des Bauens im kleinen Ort im Schwäbischen Verbreitung findet. Was die Hausbewohner mit einer gewissen Erleichterung feststellen, denn nun rücken sie allmählich aus dem Focus der Aufmerksamkeit. Die Abende werden ruhiger.

Ein Idyll für Katzen stellt man sich anders vor. Von den einschlägigen Tier-Kalendern und Bildbänden geprägt, möchte man ein deutlich über hundert Jahre altes Häuschen sehen, mit dichtem Efeu an der Klinkerfassade, einem angerosteten Gartentor, wild wuchernden Büschen rund um die Terrasse. Das wäre artgerecht. Aber doch nicht so: Klassische Moderne und Postmoderne in Kombination, aufgeräumt und abstrakt. Auf dem Quader mit weißer Putzfassade ein Penthouse, so sieht es zumindest aus. Der Planer scheint eine gewisse Freude am Verfremden zu haben. Das Penthouse, das kein echtes ist, könnte mit seinen die Dachflächen überragenden Giebelwänden nach Irland oder in die Bretagne verweisen, wäre es nicht mit Aluminium verkleidet. Auf der Gartenseite schießen die Sparren aus dem Satteldach und landen punktgenau auf einer nach Bauhaus-Art nur angedeuteten Wand, die die Terrasse einfasst, oder: einrahmt.

Lichtlenkung

Wer eins von seinen Häusern zum ersten Mal betrete, so Architekt Thomas Fichtner, der sei nicht selten angenehm überrascht. Von außen wirke sein Stil auf viele unterkühlt, innen staunten sie dann über das durchweg warme Ambiente. An dem er natürlich gefeilt hat. Licht in Hülle und Fülle alleine tut es ja nicht, es muss klug verteilt werden, sollte aus mehreren Richtungen kommen, direkt und indirekt, um- und abgelenkt werden, abgemildert und gefiltert. Sollte auf bestimmte Weise reflektiert werden, durch Wandbeschichtungen und Fußböden und die Einrichtung. Abgesehen von den Sanitärräumen hat man hier fast überall helles Holzparkett verlegt. Unter der Treppe wurde eine Vertiefung mit weißen Zierkieseln ausgefüllt. Und da im Dachgeschoss eine Galerie mit ausreichend großem Luftraum angelegt wurde, gelangt das Licht des Dachfensters auch ins Erdgeschoss. Nicht zu vergessen die Glasfuge, die Garage und Wohnbereich ebenso trennt wie verbindet.

Very Britisch Kurzhaar

Mittendrin drei augenscheinlich doch recht zufriedene Katzen. Alle drei gehören zur Rasse Britisch Kurzhaar, geschaffen für ein Leben zwischen Kamin und Sofa. Kleine Streuner und Herumtreiber habe man zuvor gehabt, erzählt die Bauherrin, aber die seien letztlich immer überfahren worden. Das ständige Bangen und Sorgen wollte man sich nicht mehr antun. Diese Sorte dagegen ist garantiert häuslich, eine Spur vornehm, gelassen, geduldig im Umgang mit Kindern. Sie soll auf die ersten Stubentiger zurückgehen, die die Römer nach Britannien mitgebracht haben; Indoor-Tiere, damals wahrscheinlich ganz glücklich darüber, dass sie zusammen mit Ziegelhäusern und Fußbodenheizung auf die raue Insel am Nordrand des Imperiums importiert worden waren. In unserem Haus im Neubaugebiet eines kleinen schwäbischen Städtchens haben die Aristocats es jedenfalls gut getroffen. Können Landluft schnuppern, ohne sich zu verkühlen oder nass zu werden, können sich hinter den bodentiefen, dreifach verglasten Fenstern an der Umgebung satt sehen. Oder vom begrünten Flachdach der Doppelgarage aus.

Passivhaus

Großflächige Dreifachverglasung, Lüftung mit Wärmerückgewinnung und eine satte Hartschaumdämmung auf Ziegelmauerwerk machen aus dem Gebäude ein Passivhaus, definitionsgemäß mit einem Heizwärmebedarf von unter 15 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter. Es reichen theoretisch die Sonnenstrahlen sowie die Wärmeproduktion der Bewohner und der elektrischen Geräte, um selbst im tiefsten Winter angenehme Temperaturen zu halten. Derzeit heizen zwei Erwachsene, ein quirliges Kleinkind und das Katzentrio im reiferen Alter. Der Kaminofen bringt das Plus an Gemütlichkeit, Solarkollektoren laden den Warmwasserspeicher. Nur punktuell wird die Naturstein-Stromheizung eingeschaltet. Auf einen Keller, der wärmetechnisch immer ein Problem ist, verzichtete man, wodurch sich die Ausgangsbedingungen verbesserten. Ungünstig wirkte sich indes die vom Bebauungsplan vorgeschriebene Firstrichtung aus, Süd- Nord, die der Ausrichtung zur Sonne im Weg stand. Deswegen die Kollektorfläche von siebeneinhalb Quadratmetern auf dem Ostdach – ein Einfamilienhaus kommt ansonsten bei reiner Warmwasserbereitung spielend mit sechs Quadratmetern zurecht. Mit Hochlochziegeln zuzüglich Hartschaum- Isolierung entschied Fichtner sich für Bewährtes; von den neuen Dämmsteinen, die eine monolithische Bauweise erlauben, ist er noch nicht überzeugt: „Noch tauchen häufig Probleme in den Anschlussbereichen auf, etwa wo Geschossdecken auf Außenwände treffen, dort ist der Wärmeschutz nicht optimal.“

Gezielt verschwenden

Galerie, Luftraum, das klingt nach Platzverschwendung. Es wird noch ärger, wie in Vorstands-Etagen: am Ende des Eingangsbereichs, in der Glasfuge, sind gute zwei Quadratmeter ganz allein einer übermannshohen Gummibaum-Wurzel vorbehalten, die dort in einem Bett aus ebenfalls weißen Kieseln steht. Kahl und trocken, siebt das tropische Gewächs das Licht, aber schluckt es nicht, wie es ein lebender Gummibaum tun würde.

Ein Verlust an Wohnfläche, der zu verschmerzen ist, konnte Fichtner doch zuvor mit einem völlig legalen Trick – und mit dem Segen der zuständigen Behörde – die Kopffreiheit unterm Dach vergrößern und ein Mehr an Wohnwert herausholen. Der B-Plan gibt eine nicht eben großzügige Traufhöhe vor (die Höhe der Außenwand, bis zum Auflagepunkt des Daches). Hätte der Planer die übliche Dachform vorgesehen, wäre es mit dem Kniestock nicht weit her gewesen. Stattdessen erklärte er das die Terrasse einrahmende „Gerüst“, die „Pergola“, zum Gebäudeteil, zur Außenwand, die sich überkorrekt an die vorgeschriebenen Maße hält. „Sind wir eben ein bisschen in die Breite gegangen...“ Weiter innen nun durfte er die Linien freier ziehen.

Plantschbecken

In naher Zukunft soll der Gummibaum angestrahlt werden. Geplant ist ebenfalls, eine Wasserwand in Betrieb zu nehmen, um die Luftfeuchtigkeit zu erhöhen. Aber gemach, gemach: „Unsere Tochter ist gerade in einem sehr experimentierfreudigen Alter und besonders Wasser findet sie ziemlich faszinierend. Im Moment haben wir noch Angst um den Parkettboden.“ Zum Plantschen gibt es das Becken auf der Terrasse. Vom Architekten lediglich als reines Bassin angedacht, das seine Wellen ins Hausinnere projizieren sollte, wurde es mit jeder Besprechung tiefer. Schließlich sind es 60 Zentimeter geworden. Genug für erste Schwimmversuche, für entspannende Sommerabende. Ab und an noch gibt es ein Lob für die ungewöhnliche Gestaltung von Vorübergehenden, von jenseits der Böschung, der jungen Hecke. Insgesamt aber stellen die Bewohner fest, dass der Architektur-Tourismus nachlässt. „Baustellen-Tourismus“ wäre unzutreffend, da er mit dem Einzug nicht aufhörte. Einmal hielten abends um halb zehn zwei junge Männer im Sportwagen, klingelten und wollten alles über das Aluminium-Dach erfahren. Jetzt wird es ruhiger, die Katzen behalten von der Dachterrasse aus die Umgebung im Auge, in der der Architekt mittlerweile etliche weitere Gebäude zu verantworten hat – rund ein Dutzend waren es bis Redaktionsschluss.

Das Einfamilienhaus | 7. August 2011

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