Berechnend bauen

Projekte | 'Das Einfamilienhaus' | Auenstein - Mit „Mal was anderes“ fassen Bauherrin und Bauherr die zustimmenden Reaktionen der Nachbarschaft sehr vorsichtig zusammen. Anstatt scheeler Blicke und Kopfschütteln gab es Anerkennung, Begeisterung. Dafür kann es nur zwei Erklärungen geben. Erstens hat man an der Gestaltung dieses Einfamilienhauses sein ästhetisches Vergnügen. Die Form ist reinste Geometrie, aber nicht symmetrisch, nicht ganz komplett, sie ist erkennbar nur Stück eines Ganzen, Größeren. Mehr witzig als provokant. Zweitens weiß, wer die Bewohner kennt oder schon einmal zu Gast war, um die Logik des Konzepts, um den Wohnwert.

Mathematikum

Abstraktes macht Spaß. Prof. Dr. Albrecht Beutelspacher, der Gründer und Direktor des „weltweit ersten Mitmach- Museums für Mathematik“, ist so dreist, das zu behaupten. PISASchock hin, Schulhorror her, die Freude an der Schönheit der Zahlen, der reinen Formen sei im Menschen angelegt. Die Besucherzahlen des „Mathematikums“ in Gießen scheinen ihm Recht zu geben und, so Beutelspacher, „... die Leute gehen glücklicher, als sie gekommen sind.“ Zurück zum Geometrikum, dem Haus der Familie Rau: Der Baukörper steht da wie abgeschnitten. Von einer Torte gewaltigen Ausmaßes. Aber „... so schneidet man doch keine Torte an!“ würden Grundschüler sofort protestieren. In der Tat, zur Einführung ins Bruchrechnen taugt das Gebäude nicht recht. Es handelt sich bei dem Umriss um ein halbiertes Kreissegment, nicht um einen Sektor; wird ein Kreissegment durch zwei geteilt, ähnelt das Ergebnis nur entfernt einem Dreieck. Es hat zwei gerade Seiten und eine sanft geschwungene. Architekt Uwe Fichtner tat alles, um die Form in aller Klarheit hervortreten zu lassen, er gab dem Haus eine rein weiße Putzfassade, nur von den großen Glasflächen unterbrochen. „Manche haben uns allerdings gefragt, wie wir das Flachdach genehmigt bekommen haben...“, so Martina Rau. Ganz einfach, das Gelände war ursprünglich von der Stadt für einen Spielplatz vorgesehen, der dann doch nicht entstand. Ein Bebauungsplan musste erst noch eigens erstellt werden und der legte schließlich dem Projekt keinerlei Steine in den Weg.

Große Sonnenseite

Der Vergleich mit einem Kreuzfahrtschiff darf sein, wegen der zwei spitz zulaufenden Balkone am „Bug“, der Richtung Tal zeigt. Einmal ums Haus spaziert, tritt er jedoch in den Hintergrund, die innere Logik der Anlage wird deutlicher. Das Grundstück liegt an einem Westhang, es sollte so viel besonnte Gartenfläche wie möglich übrig bleiben, auf die hatte sich die Baufamilie von Anfang an gefreut. Fichtner rückte den Hauptbaukörper folgerichtig mit dem Rücken nahe an die Grundstücksgrenze im Norden. Zweitens sollte so viel Wohnraum wie möglich so viel Licht wie möglich abbekommen, und der Architekt, der die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten noch nie für die beste gehalten hat, gab dem Haus die Rundung, die dem Lauf der Sonne folgt. Im Osten, an der Straße, sind mit Doppelgarage und Carport zwei kleinere Baukörper angegliedert, die dort oben die Grundstücksgrenzen markieren.

Leistungsschau

Im bauchigen Teil, hinter den Balkonen, brachte man in Erd- und Obergeschoss Wohn- und Lebensraum – sowie ein Spielzimmer – für die vierköpfige Familie unter, im Hanggeschoss das großzügige und großzügig beleuchtete Büro und den „Showroom“. Der Bauherr ist in der Sanitär- und Heizungsbranche tätig und wollte seine eigene Haustechnik vorzeigen können, nicht ins dunkle Keller loch vor unverputzte Wände stellen. Büro und Showroom verbindet ein Glas-Schiebeelement, mit zwei feststehenden Seitenteilen, dahinter wartet auf Interessierte und potenzielle Kunden, was die Industrie derzeit zu bieten hat, eine Sole/Wasser-Wärmepumpe, eine Anlage zur kontrollierten Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung und eine zentrale Staubsauger- Anlage. Sie vereinfacht den Hausputz ungemein: im Obergeschoss etwa gibt es fünf Anschlussdosen. Eltern- und Kinderbad, Elternschlafzimmer und die beiden Kinderzimmer sind im Bedarfsfall schnell bewältigt. Kunden dürfen sich auch im Haus umsehen, zum Beispiel die Badausstattung bewundern. Und sich fragen, ob die Fußbodenheizung überhaupt funktioniert. Sie ist eine von der Sorte der unentbehrlichen Dienstleister, die erst auffallen, wenn sie ausfallen. „Selbst wir haben es am Anfang nicht gleich glauben wollen, wenn sie lief ...“, so Martina und Johannes Rau. Messungen ergaben, dass die höchste Vorlauftemperatur bisher bei 28 Grad lag.

5,2

Völlig ausreichend, da die Wärme abgebende Fläche recht groß ist, die solaren Gewinne durch die Fensterfronten beachtlich sind, die Verluste andererseits dank der Dämmung und der Lüftungsanlage vernachlässigbar gering. Diese Faktoren könnten sich mit die bemerkenswert hohe Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe erklären, die Johannes Rau mit 5,2 (!) angibt. Mutige Hersteller behaupten schon einmal, dass ihre Geräte es bis zur glatten Fünf schaffen, im Jahresdurchschnitt aus einer Kilowattstunde eingesetzter Energie fünf Kilowattstunden nutzbare machen, wofür wirklich alle Rahmenbedingungen stimmen müssen. Offenbar sind sie hier übererfüllt: Die Quellenergie „sprudelt“ beständig auf ausreichend hohem Niveau, in Gestalt der Erdwärme, die mittels zweier bis auf 80 Meter versenkter Sonden entzogen wird. Die Pumpe muss, siehe oben, nur ein geringes Wärmeniveau bereitstellen, wegen der Flächenheizungen und des großen Warmwasserspeichers. Ihre Stromkosten für Warmwasser und Heizung belaufen sich auf rund 300 Euro pro Jahr, so die Bauherrschaft.

Dachgrün

Am Beginn standen die Erdarbeiten, eine Woche, in der die Grube für das Hanggeschoss ausgeschachtet und der Hang mit ein paar LKW-Ladungen Muttererde zusätzlich den Vorstellungen des Architekten und der Gartenbauer angepasst wurde. Auf einer anderen Baustelle war man froh, den Aushub loszuwerden, ihn nicht gegen Gebühr auf einer Deponie abkippen zu müssen. 140 Tonnen Betonstein, Granit und Kalkstein wurden zurechtgerückt, das Gelände stufig gestaltet, Terrassen mit Brocken von Findlingsgröße befestigt. Viel Grün wurde vorgesehen, Bäume, Sträucher, Rasenfläche. Das hilft dem Boden, Niederschläge zu speichern, die allmählich zum Problem für unsere Abwassersysteme werden. Hinzu kommt die intensive Dachbegrünung auf Carport und Garage. Im Gegensatz zur extensiven Begrünung, um die man sich nach Anpflanzung nicht weiter kümmern muss, ist die intensive pflegebedürftig, bindet aber auch mehr Wasser und produziert mehr Sauerstoff. Macht fast 90 Quadratmeter Dachfläche, dick und durstig. Falls es einmal zu stark regnet, wird der Überfluss über in die Dämmung der Fassade integrierte Fallrohre abgeleitet. Architekt und Bauherr wollten keinerlei Unterbrechung der Fassade, setzten die Rohre vor die Außenwand, aber hinter den Putz, mit optischem Gewinn und ohne bauphysikalische Einbußen, eingebettet in dreißig Zentimeter Polystyrol. Derart kam man nahe an das KfW-40-Haus heran.

Geradlinig

Recht trocken fällt der Kommentar beider Parteien zum bald in Baden- Württemberg in Kraft tretenden Erneuerbare-Energien-Gesetz aus. Nach ihm müssen Neubauten mindestens ein Fünftel ihres Energiebedarfs aus regenerativen Quellen decken, ab 2010 auch Altbauten. Der Architekt baut laut eigener Aussage seit Jahren nur noch Niedrigstenergie- und Passivhäuser, der Bauherr macht sich seit Längerem für die Alternativen zu Öl- und Gasheizung stark. Er hat schon etliche von Fichtners Projekten ausgerüstet. Hätten Raus nichts von seinen Arbeiten gehalten, hätten sie einen Bogen um ihn machen können. Stattdessen bekam er den Auftrag für einen „geradlinigen Entwurf“, wohl wissend, was Uwe Fichtner unter geradlinig versteht.

Das Einfamilienhaus | 1. April 2008

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