Projekte | Großbottwar - Mit einem Kostenaufwand von rund 250 000 Mark sollen an der evangelischen Martinskirche umfangreiche Reparatur-, Sanierungs- und Verschönerungsarbeiten ausgeführt werden, mit denen dieser Tage bereits begonnen wurde. Gegenwärtig werden Turm und Kirche mit einem Stahlgerüst versehen, um die Arbeiten am Äußeren der Kirche durchführen zu können. Bis zum Einbruch der kalten Witterung sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.
Wesentliche Arbeiten werden neben anderen vor allem die völlig neue Eindeckung des Kirchturmdaches sein. Teilweise morsches Holz des Turmgebälks und der Dachlatten erfordern umfangreiche Zimmereiarbeiten am Turmdach. Anschließend wird die Dacheindeckung wieder mit naturroten Biberschwänzen vorgenommen, jedoch als Doppeldeckung. Am Turmdach wird dann erstmals eine Dachrinne mit Wasserabfallrohr angebracht werden. Im Turminnern sind die Holzböden in den Glockenstühlen zu erneuern, ebenso teilweise Holzteile beim Treppenaufgang zur Glockenstube. Die übertünchten Sandsteinmauern des Turmsockels sind durch teilweise notwendige Mauer-Trocknung zu behandeln und Putzarbeiten anschließend durchzuführen. Auch sind im Hauptschiff am Dachfirst Reparaturen auszuführen und die Kirchenfensterholzrahmen sind neu zu streichen, ebenso die gesamten Außenwände, die vor zwanzig Jahren restauriert wurden. Aufmerksamkeit gilt auch mehreren Rissen, die in oberen Teilen des Turmes festgestellt wurden; auch wird es unvorhergesehene Arbeiten geben, wenn die Bauhandwerker erst mit den Reparaturarbeiten begonnen haben. Sanierungsarbeiten wurden auch an den beiden Aufgängen zu den Seitenemporen durchgeführt. Dort waren vor zwanzig Jahren die nahezu 200 Jahre alten Steintreppen »ausgetreten« und wurden damals durch Waschbetonstufen ersetzt. An diesen haben sich noch größere Korrosionsschäden bemerkbar gemacht. Architekt Rudolf Rast, der die örtliche Bauleitung hat, und sein Bautechniker Hans Baur werden die umfangreichen Arbeiten täglich überwachen, sie hoffen, daß keine großen Überraschungen auftauchen, so daß bis zum Einbruch des Winters die Baumaß- nahmen abgeschlossen sein können.
Zunächst bleibt die Frage offen, ob die jetzt 50 Jahre alt gewordene Kirchturmuhr hinsichtlich ihrer Zifferblätter ebenfalls frisch gestrichen werden muß. Rostansätze an manchen Stellen sind deutlich sichtbar. Dabei war die Anschaffung der Uhr im Jahre 1936 eine recht verzwickte Sache. Wie aus alten Protokollen des Kirchengemeinderats zu entnehmen ist, bestand schon im Jahre 1926 die Absicht, eine neue Turmuhr anzuschaffen; »unter der Bevölkerung besteht der dringende Wunsch, dem Notstand einer für die hiesigen Verhältnisse völlig ungenügenden Turmuhr abzuhelfen und eine neue anzuschaffen«. Die Durchführung scheiterte jedoch am Geld. Im Jahre 1929 wurde erneut beraten und am 7. Juli 1934 beschlossen, das aus Anlaß des Gedenktages der Einführung der Reformation in Württemberg (8. Juli 1534) freigestellte Kirchenopfer in einem Fond »Kirchturmuhr« einzubringen. Auch der vorhandene »Orgel-Fond« konnte dem Turmuhr-Fond zugeschlagen werden.
Der damalige Kirchenpfleger Burger, seines Zeichens Uhrmachermeister und täglicher »Aufzieher« der Turmuhr, hatte die Anschaffung einer Turmuhr nachhaltig betrieben. Waren vorher nur drei kleinere Zifferblätter auf halber Turmhöhe an der Ost-, Nord- und Südseite, so war der Wunsch der Bevölkerung nach einer von allen Seiten sichtbaren Turmuhr auf dem Kirchturm nur zu verständlich. Die Firma Hörz aus Ulm gab Angebote für eine Turmuhr mit elektrischem Aufzug ab; doch aus Kostengründen konnte sich die Kirchengemeinde nur eine solche mit täglichem Handaufzug leisten. Kosten 3030 RM (Reichsmark) und für das Nachschlagwerk weitere 465 RM. Die Firma hat den Preis dann auf 2900 RM nachgelassen. Spenden und Opfer der Kirchengemeindemitglieder - ein von der Kirchenbehörde erbetener Zuschuß - sollten die Finanzierung ermöglichen. Eine beantragte Haussammlung wurde nicht genehmigt (Sammlungsverbot), sodass im Juli 1938 noch eine Finanzierungslücke von 1800 RM bestand.
Während in den Jahren 1791/1792 nur kleinere Reparaturen erfolgten, war im Jahre 1958 neues Kirchengestühl installiert worden, zehn Jahre später wurde die Kirche außen renoviert. Der Kirchenbau selbst geht auf das Ende des 13. Jahrhunderts zurück. Der an der Ostseite des Turms vorbeifließende »Kirchbach«, die Kleine Bottwar, wurde vor knapp 40 Jahren verdohlt.
Der evangelischen Kirchengemeinde kommen die Reparatur-, Sanierungs- und Verschönerungsarbeiten zur Zeit ganz und gar ungelegen, spart man doch in Großbottwar schon seit Jahren auf einen Gemeindehaus-Neubau. Nun müssen die dringlichen Arbeiten an der Kirche vorgezogen werden, sollen die Schäden dort nicht noch größer werden oder gar Unfallgefahren entstehen. Die auf rund 250 000 Mark veranschlagten Kosten der Kirchenerneuerung verschlingen nun auch Finanzmittel, mit denen für den Gemeindehausbau gerechnet wurde.
Marbacher Zeitung | 7. August 1987
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