Großes Kino

Projekte | 'Das Einfamilienhaus' | Großbottwar - Es gibt so etwas wie ein Körpergedächtnis: sich im Sommer hinter einer Glaswand aufhalten, ob im Autohaus, im Kaufhaus oder im Gewächshaus, das hat kaum jemand in angenehmer Erinnerung. Allein der Gedanke an Glas und Sonnenschein, das Bild vor dem inneren Auge, bringt einen noch Jahrzehnte später ins Schwitzen. Neue Nahrung bekam dieses Misstrauen in jüngster Zeit durch Kritik an den Kristallpalästen von Stararchitekten wie Sir Norman Foster. Reine Schwitzkästen – um das Klima wenigstens einigermaßen erträglich zu machen, zögen die Belüftungsanlagen Strom ohne Ende. Ab einer gewissen Dimension sei das Problem der Wärmegewinne durch Sonneneinstrahlung nicht mehr beherrschbar. Besser erst einmal kleinere Brötchen backen, Durchblick in den Wohnalltag bringen. Ohnehin wollte die Behörde dem Ehepaar Rast aus Großbottwar nur anderthalb Geschosse zubilligen, nichts Außergewöhnliches in deutschen Kommunen.

Klimapolitik

Britta Rast ist Physiotherapeutin und zweifache Mutter, arbeitet in einer Krankengymnastik-Praxis für Säuglinge und Kinder. Man darf ihr ein waches Bewusstsein für alles unterstellen, was mit dem Wohlbefinden, der Lebensumwelt der Kleinen und Kleinsten zu tun hat. Viel Glas, Transparenz und Helligkeit, so ihre Vorgabe, aber nicht auf Kosten der Wohngesundheit. Alexander Rast wiederum ist Geschäftsführer der Rastbau GmbH, die vor allem im Bottwartal, in und um Großbottwar, für Privatleute, jedoch auch für die öffentliche Hand und die Wirtschaft tätig ist. Im Objektbau sind die Techniken und Methoden weiter fortgeschritten, inklusive der Tageslichttechnik. Architekt Uwe Fichtner schließlich, seit 14 Jahren im Unternehmen, hat es selber gerne taghell, hat sich in seinem eigenen Haus aller verfügbaren, sinnvollen Mittel bedient und bei Rasts ebenfalls. Raffstores fahren nach Bedarf vor den transparenten Außenwänden im Süden des Erdgeschosses automatisch herunter, die Dachverglasung wird von einer Wintergarten-Markise verschattet. Dem Hitzestau wird durch die Lüftungsanlage vorgebeugt, die in den oberen Bereichen die warme Luft absaugt und nach draußen befördert, gleichzeitig frische hereinführt. Wird es draußen kühler, muss die Abluft vor dem Verlassen des Gebäudes ihre Wärme im zentralen Wärmetauscher an die Frischluft übergeben. Die letzte Heizperiode begann Ende Oktober, ein Gasbrenner hilft der Frischluft aufs gewünschte Temperaturniveau. In Küche und Bad, wo Naturstein verlegt wurde, sorgt die elektrische Fußbodenheizung für Behaglichkeit. In den übrigen Bereichen wird über Kanäle warme Luft verteilt, sachte, ohne Zug, für einen angenehmen Aufenthalt auch in Bodennähe. Der Jüngste ist aus dem Krabbelalter gerade erst heraus.

Das Runde und das Eckige

Häuser wie dieses müssen sich die immer gleiche Kurzbeschreibung anhören: „Innen und außen verschmelzen miteinander.” Völlig falsch ist das nicht. Die Räume sind, in Abstufungen, von Nord nach Süd, eher ein geschütztes Draußen, das Tageslicht gelangt fast überall hin. Die Terrasse liegt teilweise unter dem – gläsernen – Dachüberstand. In die Mitte des Erdgeschosses setzte man einen Lichthof. Hier war anfangs ein klassisches Atrium geplant, an der frischen Luft, doch die Witterung ist in Großbottwar nicht wirklich mediterran, noch nicht. Nur die Bezeichnung blieb hängen. Der Lichtertrag vom verglasten First her kommt Erd- und Dachgeschoss zugute. Und die Abwechslung regiert. Es gibt mehr als einen Ort, von dem aus man eine ganze Szenerie aus Räumen, Ebenen, Dimensionen im Blick hat, nah und fern. Stellen wir uns zum Beispiel ins Dachgeschoss, an den Rand der Galerie, sehen wir unten das Atrium, oben durchs Firstfenster den Himmel, nach Süden durch die bodentiefen Fenster der Dachterrasse die Häuser der Umgebung, dahinter ein ganze Menge Landschaft. Viele Sichtbezüge, auf mehreren Ebenen, nebeneinander, ineinander übergehend, sind von Fichtner eingesetzte Mittel, um Anregung und Spannung ins Wohnumfeld zu bringen. Ein Weiteres, das er sonst gerne verwendet, sucht man hier vergeblich, die Rundungen, den sanften Schwung der Wandverläufe, der Galerien, oder die Bullaugenfenster. Britta Rast hatte die Oberhoheit über die Ästhetik, sie entschied zu Gunsten der Geradlinigkeit, der rechten Winkel. Natürlich, typisch Mann, typisch Frau – bevor man jedoch in den Klischees der Psychoratgeber weiterdenkt, begutachte man den Entwurf auf innere Logik hin. Von Ost nach West verlaufend, herrscht im langen, schmalen Baukörper Verteilungsgerechtigkeit in Sachen Sonnenlicht. Das Grundstück, ein großes L mit der Ecke im Nordosten, wird auf der Nordseite vom Baukörper begrenzt, eingefasst, für den nach Süden zeigenden Streifen ließ sich Fichtner eine Wandscheibe einfallen. Die ragt „einfach so” in den Garten hinein, parallel zum Wasserbecken, mit einer Öffnung im Cinemascope®-Format. Fernsehen, ohne die von den Pädagogen befürchteten Folgen. Die freistehende Wand ist Sichtschutz und ein Gedankenspiel mit dem Gegensatzpaar drinnen–draußen. Da das Grundstück nur über einen Korridor zu erreichen ist – es handelt sich um eine großzügige Baulücke zwischen lauter Einfamilien-, Doppelund Reihenhäusern –, erhascht man von dort lediglich einen Blick auf die Nordostecke und vermeint ein ausladendes Flachdachgebäude mit aufgesetztem Satteldach zu erkennen. Ein Satteldach war vom Bebauungsplan zwingend vorgeschrieben, daran gab es nichts zu rütteln, hinsichtlich der Ausführung aber gab es Spielraum, den Fichtner im Sinne der Bauherrin nutzte. Britta Rast wollte ursprünglich ein Flachdach. Und so geriet der Sattel recht abstrakt, distanziert, mit einer Verkleidung aus nicht rostendem Stahl auf den Giebelseiten.

Lichttherapie

Sachlich, trocken und eine Spur zugeknöpft wirkt das Gebäude, steht man in der Einfahrt. Umso größer das Erstaunen der Besucher, sobald sie den Eingangsbereich betreten. Geschlossen nach Norden und Osten, offen zum Garten, beeindruckt die schiere, schon therapeutische Lichtfülle (Tageslicht wird in der Medizin wieder vermehrt eingesetzt, es stärkt offenbar das Immunsystem, Heilungsprozesse schreiten in gut belichteten Krankenhäusern schneller voran). Wie zu erwarten wird die Frage nach dem Innenklima im Hochsommer öfter gestellt. Die Bewohner können beruhigen, niemand müsse bei ihnen zur Abkühlung ins Becken neben der Wandscheibe hüpfen. Von einem Kopfsprung rät die Bauherrschaft dringend ab, die Wassertiefe beträgt sechzig Zentimeter. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Einweihung von Mies van der Rohes „Farnsworth House”, dem selbst Wohlmeinende bescheinigten, zu jeder Jahreszeit unbewohnbar zu sein, scheint das Bauen mit Glas allmählich voranzukommen.

Das Einfamilienhaus | 10. September 2007

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